Selten gehörte Musik in Köln

Ein antiautoritäres Lustspiel

Oswald Wiener präsentierte Mitte Januar im Kölner Volkstheater Millowitsch ‚Selten gehörter Musik’ und versuchte mit jungen Musikern, sein Projekt aus den 70er Jahren in die Jetztzeit zu katapultieren. Das gelang ihm allerdings nur ansatzweise.

Die Welten, die in Köln am Abend des 14.1. aufeinander prallten, könnten kaum verschiedener sein. ‚Selten gehörte Musik’ wurde für diesen Abend im Millowitsch-Theater angekündigt, und die Namen, die hinter diesem Projekt standen, konnten das Kölner Lustspieltheater mühelos mit einem vorwiegend jungen Publikum füllen.
‚Selten Gehörte Musik’ war in den siebziger Jahren ein aus der neodadaistischen Wiener Gruppe hervorgegangenes musikalisches Trio. Oswald Wiener (Dozent für Poetik und Ästhetik an der Düsseldorfer Kunstakademie), Gerhard Rühm und Dieter Roth haben sich in dieser Zeit für einige Konzerte und Schallplattenaufnahmen („3. Berliner Dichter-Workshop“,’73) zusammengefunden, um „…eine Ästhetik des Scheiterns auszuprobieren, das heißt eine Ästhetik des Nichtkönnens, des Möchtens, des Wollens. Und dies ist eine schmerzhafte Ästhetik, es ist eine Ästhetik der Peinlichkeiten, der Blamage, des Verzichts…“(Wiener). Durch das bewusste aufs Spiel setzen des Gelingens der Aufführung sollen die Ausdrucksmöglichkeiten der Musik erweitert werden. So nimmt man gezielt ein Instrument in die Hand, das man nicht beherrscht (falls man überhaupt eines beherrscht…), denn Kunst kommt nach Wiener nicht von können, sondern von wollen (deshalb nennt er es auch Wunst).
Nach langer Zeit hatte man nun erneut die seltene Gelegenheit, ‚Selten gehörte Musik’ zu erleben – allerdings in ganz anderer Besetzung. Auf der Bühne, in der Kulisse eines biederen, neoklassizistischen Wohnzimmers des gehobenen Bürgertums (die Kulisse der aktuellen Aufführung des Theaters), saßen nicht weniger als 13 Personen mit Glockenspiel, Gitarren, Schlagzeug, Samplern, Tuba, Saxophon, allerlei Flöten uvm. Die Liste der Beteiligten schien wild zusammengewürfelt zu sein: Mehrere Generationen avantgardistischer Aktivisten, von der ‚Wiener Family (Adam, Ingrid und Oswald Wiener) und Valie Export (Experimentalfilmerin aus dem Umfeld des Wiener Aktionismus) über Wolfgang Müller (ehem. Die Tödliche Doris) zu Marcus Schmickler, Thomas Brinkmann (der einst Schüler von Wiener war), Jan Werner von Mouse On Mars und der Medientheoretiker Nils Röller standen neben anderen auf der Bühne. Ein Generationskonflikt entstand daraus allerdings nicht. Groß war anscheinend der Respekt, den die jüngeren Teilnehmer dem Initiator Oswald Wiener entgegenbrachten.
Das Konzert wurde durch ein in dadaistischer Fantasiesprache gehaltenes Gespräch zwischen Wiener und Walter Fähndrich eingeleitet, an dem sich nach und nach alle Protagonisten beteiligten – verbal, musikalisch oder mit kleinen Handlungen. Das barg während des gut einstündigen Konzertes einige sowohl musikalische (in den besten Momenten energetisch wie ein gutes Free Jazz Konzert) als auch literarische oder gar komödiantische Höhepunkte.
Allerdings blieb das alles in allem recht brav. Die Akteure diffamierten sich zwar regelmäßig gegenseitig mit ‚peinlich,peinlich’ und ‚Blamage’ Zurufen und Fähndrich versuchte zwischendurch per Handy die Polizei wegen Ruhestörung zu rufen, doch blieb der Versuch reine Showeinlage. Ein kurzer Schlagabtausch mit Überraschungseiern zwischen Bühne und Saal verebbte schnell wieder und das biedere Ambiente auf der Bühne blieb komplett verschont. Musikalisch sehr inspirierend klangen jedoch Stefan Schmidts Traktierung der Gitarre mit einer Bohrmaschine und Jan Werners rhythmische Rückkopplungen. Überhaupt: wirkten die Einlagen der älteren Aktivisten zuweilen etwas antiquiert, so erdeten die jüngeren Teilnehmer das Unternehmen immer wieder ästhetisch im Hier und Jetzt. Damit barg das antiautoritäre Ereignis doch noch einige subtile Reibereien.
Christian Meyer