Filmverleih „Rapid Eye Movies“

Mit Gewalt gegen die Großen

Gerade ist „Dolls“, der neue, bildgewaltige Film von Takeshi Kitano, in den deutschen Kinos angelaufen. Kitano, den japanischen Tausendsassa, kennt man inzwischen auch hierzulande. Seine Spielfilme sind außergewöhnliche Gratwanderungen zwischen exzessiven Gewaltausbrüchen und außerordentlich sensiblen Bildkompositionen. Dass seine Filme spätestens seit „Sonatine“ (1993, zeitverzögert in den deutschen Kinos) eine große Fangemeinde gewonnen haben, ist unter anderem dem kleinen Kölner Filmverleih Rapid Eye Movies (R.E.M.) zu verdanken. Der Verleih wurde vor sieben Jahren von Antoinette Köster, Stephan Holl und Sigrid Limprecht, die zugleich Geschäftsführerin der Bonner Kinemathek ist, gegründet. Gestartet hat man mit dem Anime „Ghost in the Shell“ und damit gleich ein ganzes Genre ins hiesige Bewusstsein gerückt. Denn von Anfang an wollte man „filmisches Neuland betreten“, wie Stephan Holl berichtet. Seitdem hat Rapid Eye Movies pro Jahr fünf bis zehn Filme in die deutschen Kinos gebracht, darunter solch außergewöhnliche und schockierende Arthouse-Filme wie Takashi Miikes feministischen Splatterfilm „Audition“ oder den nicht minder drastischen Liebesfilm „The Isle“ von dem Koreaner Ki-Duk Kim. Derartige Filme, die sowohl thematisch als auch ästhetisch die Grenzen des gewöhnlichen Kinobetriebs sprengen, sind durchaus repräsentativ für das Programm von R.E.M., wo man „immer auf der Suche nach dem, was einen fordert und weiterbringt“ ist, so Holl. Aber es gibt durchaus auch leichtere Kost – vor Genre- und Trashfilmen schreckt man bei R.E.M. nicht zurück. Solange die Filme einen eigenen Ansatz erkennen lassen bzw. dem jeweiligen Genre etwas neues einhauchen, darf „auch mal ein Partymovie“ im Programm auftauchen. Das gilt vor allem für den Video- und DVD-Bereich, der zur Zeit mit Hilfe neuer Vertriebspartner ausgebaut wird. Dort wird demnächst auch der Bollywood-Film „Sometimes Happy, Sometimes Sad“ erscheinen. Das indische Epos mit vielen Tanz-, Gesang- und vor allem Heulszenen war dank R.E.M. im Frühling dieses Jahres der erste in Deutschland adäquat gezeigte Film seiner Art. Das ein vierstündiges „Musical“ aus Indien hier trotzdem nicht zu den Kassenschlagern zählt, verwundert aber niemanden. Finanzierbar sind solche Liebhaber-Eskapaden nur durch sekundäre finanzielle Unterstützung. Neben der Filmstiftung NRW, ohne die sich der Verleih nach eigenen Angaben nicht hätte etablieren können, trägt sich das Unternehmen mit Hilfe von Fernsehlizenzen. Vor allem der WDR ist da ein verlässlicher Partner: die Finanzierung von „Dolls“ war nur mit einer gleichzeitigen Zusage des Kölner Senders, die Fernsehrechte zu erwerben, möglich. So ist neben dem Kinoverleih und dem Video/DVD-Markt das Fernsehen das dritte Standbein von R.E.M., das hoffen lässt, dass dieser kleine, spezialisierte Verleih den großen aber meist profillosen Filmverleihen auch auf Dauer Paroli bieten kann.
Christian Meyer

Zuerst erschienen: Zeitung der Kunstfilmbiennenale Köln 2003