Peter Brötzmann Chicago Tentett (Konzert, 1.6.2007, Stadtgarten, Köln)

Endlich mal die Legende des deutschen Free Jazz live Erleben: Zum Start ihrer Europatournee gastierte die Supergroup um Brötzmann im Rahmen des Nozart-Festivals im Stadtgarten. Stühle waren da, die Musik wollte etwas anderes …

 Alleine die Quantität der Musiker sorgte für mehr Power, als man im Stuhl sitzend ertragen kann. Peter Brötzmann, der Mann, der uns das legendäre „Machine Gun“-Album von 1972 (die Aufnahmen sind von ’68) bescherte und für so schöne Alben-Titel wie „Ein halber Hund kann nicht pinkeln“ sorgte – man könnte meinen, er holt sich nach einem Leben für den Free Jazz eine Horde Jungspunde, um in seinem Alter nicht mehr ganz so Druck machen zu müssen. Stimmt vielleicht auch, aber für „Machine Gun“ hatte er auch schon ein Octet (damals mit nicht minder legendären Typen wie Evan Parker, Peter Kowald oder Han Bennink). Trotzdem hielt er sich beim Konzert vergleichsweise zurück und überließ seinen Kollegen viel Raum zur Entfaltung: Johannes Bauer (Posaune), Jeb Bishop (Posaune), Per-Ake Holmlander (Tuba), Kent Kessler (Bass) Fred Lonberg-Holm (Cello), Joe Mc Phee (Trompete), Ken Vandermark (Saxophon) und die beiden Schlagzeuger Paal Nilsson-Love und Michael Zerang waren seine Mitstreiter. In den gut eineinhalb Stunden schaukeln sich die Musiker immer wieder von kurzen lyrischen Solo- oder Duo-Passagen hoch in energetische Kollektivimprovisationen. Stellenweise bläst einen schlicht das wilde Ganze weg, dann setzten wieder spitze Attacken einzelner Musiker Akzente. Johannes Bauer sticht mit seinem Posaunespiel hervor. Joe McPhee, der zuletzt auf dem großartigen Album des Projektes „Two Bands and a Legend“ zusammen mit den beiden Bands The Thing (Mats Gustafsson, Paal Nilsson-Love, Ingebrigt Haker Flaten) und Cato Salsa Experience ( mit ‚a legend‘ ist natürlich McPhee gemeint) kantigen Bluesrock mit Free Jazz vereint hat, spielt hier eher lyrisch. Auch die tippelnde, fast humorige Passage der drei Blechbläser ist ein zarterer Moment. Dann wieder spielt die Rhytmusgruppe fast rockig, mit Funk-Feeling. An Abwechslung mangelte es nicht an dem Abend. Und es geht doch nichts über den wohligen Schauer, der einem durch eine sich langsam aufbäumende Akustikattacke beschert wird. Großartiges Konzert.             

3 Antworten auf „Peter Brötzmann Chicago Tentett (Konzert, 1.6.2007, Stadtgarten, Köln)“

  1. Hier gibt es einen interessanten Zeit-Artikel inklusive eines Audiofiles, in dem sich Brötzmann zu den neu entflammten Grabenkämpfen zwischen amerikanischem und europäischem Jazz bzw. schwarzen und weißen Jazzmusikern äußert.

  2. Die schönen Worte sind zumindest eine kleine Entschädigung für diese leider verpasste Gelegenheit.

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