„Erzähl mir was vom Regen“ von Agnès Jaoui

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Als die Feministin Agathe Villanova in die Politik wechselt, muss sie ausgerechnet in ihrer alten Heimatstadt kandidieren. Dort müssen ihre politischen Ideale persönlichen Begegnungen standhalten. Als Agathe in ihre alte Heimat reist, sieht sie sich schnell mit ihrer Vergangenheit konfrontiert: Ihre unglücklich verheiratete Schwester Florence klagt, dass die tote Mutter Agathe immer bevorzugt hat – und sie beschuldigt damit indirekt Agathe. Karim, der inzwischen erwachsene Sohn der Haushälterin der Villanovas, lässt Agathe spüren, dass er sie für arrogant und sogar rassistisch hält. Selbst Agathes mitgereister Lebensgefährte geht allmählich auf Distanz zu ihr: Diese anscheinend immerzu starke und selbstbewusste Karrierefrau hat wenig Platz für eine emotionale Bindung. Trotz all des Gegenwinds lässt sie sich auf ein Interview ein, das Michel, der heimliche Freund von Florence, zusammen mit Karim für einen Fernsehsender plant. Doch die Interviews, die zunächst im Garten von Florence stattfinden, dann aber auch mal auf einem Berg mitten in der Pampa, enden regelmäßig im Chaos. Die latenten Spannungen zwischen den Schwestern, zwischen Karim und Agathe, zwischen Karim und Michel, zwischen Agathe und ihrem Freund – eigentlich zwischen allen – kommen immer mehr an die Oberfläche. Ein wildes Konfliktknäuel entwickelt sich.
Sie sind ein bewährtes Team: Agnès Jaoui und Jean-Pierre Bacri. Seit sie sich vor über zwanzig Jahren kennengelernt haben leben, und arbeiten sie zusammen. Gemeinsam haben sie Drehbücher für Alain Resnais („Smoking / No Smoking“; „Das Leben ist ein Chanson“) oder Cédric Klapisch („Typisch Familie!“) geschrieben und waren meist auch als Darsteller an den jeweiligen Filmen beteiligt. Nach „Lust auf Anderes“ (2000) und „Schau mich an“ (2004) ist „Erzähl mir was vom Regen“ ihre dritte Regiearbeit. Auch hier haben sie außerdem das Drehbuch geschrieben und die Hauptrollen übernommen. Ihr jüngster Film zeugt davon, dass ihr Teamwork – trotz dieser Dreifachbelastung – inzwischen nahezu perfekt funktioniert. Jaoui und Bacri können sich nicht nur auf ihre tollen Schauspieler verlassen – eben sie selbst, aber auch der durch seinen ‚Amélie‘-Auftritt bekannt gewordene Komiker Jamel Debbouze, hier in einer ernsteren Rolle. Mit ihrem Drehbuch haben sie auch schmissige Dialoge geliefert, die den Film ohne großen Handlungsbogen tragen. Zwar gerät die in Südfrankreich angesiedelte Komödie mit anfänglich sommerlich-leichter Stimmung mit den zunehmend schlechten Wetterverhältnissen zum melancholischen Drama. Die charmanten Wortgefechte der Protagonisten werden mit den Wolkenbrüchen aber nicht hinweggespült. Nach der Sintflut ist aber auch hier alles anders: Jede der Figuren ist ins Stolpern geraten. Jede Figur erscheint am Ende in einem anderen Licht. Nicht reingewaschen, aber doch zumindest bereit für Selbstreflexion.
(Bundesstart: 30.7.2009)

Zuerst erschienen in choices 08.09