Welch ein Glück ist dieser kleine, unaufgeregte Film. Ein überaus sympathischer Jugendfilm, der nicht auf große Gefühlsausbrüche und Dramatik setzt, sondern den ganz normalen Alltag in den Blick nimmt … Der ist bei Teenagern natürlich nie so ganz normal, und Alltag definiert sich auch noch anders, vor allem, wenn so langsam erste ernste Erwachsenenentscheidungen wie die Berufswahl anstehen. Die 17jährige Lena weiß nicht so recht wohin. Bei ihrer Suche nach ihren Wünschen für die Zukunft gerät sie mit ihren Eltern und der Schule in Konflikt. Wie der Film zwischen Konzertbesuch, Streit mit den Eltern, Schulklausur und zarten Liebeleien mäandert, das kann man nur leichtfüßig nennen. Dabei tappt Regisseur Keller in keine Klischee-Falle und umgeht auch simpel gestrickte Teeniemodelle. Lena ist cool und wütend und unsicher und traurig – und wahnsinnig sympathisch. Diese Darstellung hat Elinor Lüdde kürzlich den Bayerischen Filmpreis für den besten Nachwuchsdarsteller beschert.
(Bundesstart: 27.3.2008)
INTERVIEW MIT HAGEN KELLER:
Es gibt zur Zeit ausgesprochen viele jüngere deutsche Filmemacher, die sich mit Jugend beschäftigen. Warum bei Ihnen das Interesse am Thema?
Weil in dieser Zeit des Lebens noch alles offen ist und Wünsche, Träume und Gefühle so pur sind. Trotzdem muss man beginnen, sich zu entscheiden. Das birgt jede Menge Reibungspunkte mit der Umwelt, der Gesellschaft, anderen Menschen.
Der Film ist weit entfernt von Klischeebesetzten Teenie-Filmen. Man spürt eine große Nähe zum Thema und den Figuren. Woher kommt diese Nähe und gibt es Vorbilder für diese Art eines realistischen Jugendfilms?
Es gibt immer wieder gute realistische Jugendfilme mit glaubwürdigen Themen und Figuren. „Raus aus Amal“ war so einer. Mich haben vor allem die Gegenwartsfilme der DEFA, der SU und der CSSR geprägt. Neben Filmen, die einen in eine andere Welt führen, einen jemand anders sein lassen, finde ich es genauso spannend die Wirklichkeit auf der Leinwand zu finden, sie mit meiner Welt und Fragen zu verbinden. „Insel der Schwäne“ oder „Erscheinen Pflicht“ waren Jugendfilme, wo ich es zum Teil nicht fassen konnte, dass sie inszeniert sein sollen, da einige Szenen so echt wirkten.
In einem Interview ist zu lesen, dass Sie das Ost-Klischee der fortwährenden Plattenbausiedlung brechen wollten. Ist aber nicht Weimar, der Ort der Handlung, ein idyllisches Klischee in die entgegengesetzte Richtung?
Keinesfalls. Man sollte es nicht als „das eine gegen das andere“ sehen. Weimar ist zwar im Kern sehr idyllisch, dennoch gibt es wie in vielen anderen Städten in ganz Deutschland auch eine Vielzahl von Plattenbauten. Unser Ziel war auch nicht nur das Klischee zu brechen, unser Ziel war die glaubwürdigste und dramaturgisch optimalste Situation für unseren Charakter der Lena zu finden.
Der Film ist angenehm befreit von Geschlechterklischees. Hätte es trotzdem einen Unterschied gemacht, eine Geschichte über einen Jungen, der seinen Weg sucht, statt über ein Mädchen zu machen?
Mit Sicherheit, aber der hauptsächliche Unterschied liegt nicht zwischen Jungen und Mädchen, sondern was für ein Charakter, was für eine Persönlichkeit ein Protagonist hat. Bei Mädchen, gerade in diesem Alter, kann man genauer hinschauen, da sie nicht so viel hinter Coolness verstecken wie Jungs in diesem Alter.
Inwiefern wirkt sich der Bayerische Filmpreis für Elinor Lüdde in der Rolle der Lena als beste Nachwuchsdarstellerin für den Erfolg des Films und die Bedingungen des nächsten Projektes positiv aus?
Für den Film bedeutet es in erster Linie mehr Aufmerksamkeit, insbesondere auch in der Presse, und das ist für kleinere Produktionen ein echter Gewinn. Damit wirkt sich der Erfolg auch positiv auf zukünftige Projekte aus, denn je mehr positive Aufmerksamkeit ein Film bekommen hat, um so größer ist auch das Interesse an Folgeprojekten. Was das konkret heißt, lässt sich aber schwer vorher sagen.
(Zuerst erschienen in choices 03/08)