Verheddert in Raum und Zeit:
„Patience“ von Daniel Clowes

In der Natur von Zeitreisegeschichten liegt es, dass irgendwann der Punkt kommt, an dem man entweder ständig nach dem logischen Bruch sucht oder komplett den Durchblick verliert. Vielleicht ist auch das eine die Folge des anderen, oder umgekehrt. Wenn keines von beidem passiert, obwohl die in der Zeit herumspringende Story dazu Anlass gibt, dann liegt das eventuell daran, dass man viel zu sehr mit den Figuren und ihren Schicksalen beschäftigt ist, als dass man noch Zeit hätte, sich in Zeitschlaufen zu verheddern oder Lust hätte, Logikbrüche aufzudecken.

Daniel Clowes war immer schon ein Autor, der sich die kleinen Fehler und Schwächen der Menschen ganz genau angesehen hat. Nicht, um darauf herumzutrampeln oder die Tragik des Ganzen ans Licht zu zerren, sondern um seinen unperfekten Protagonisten Würde zu verleihen. So ist es nach den zuletzt auf Deutsch erschienenen Alben Wilson und Mr. Wonderful nun auch bei Patience. Darin erzählt Daniel Clowes von einer Liebesbeziehung und ihrem tragischen Ende. Doch so ganz final ist das Ende nicht: Nach dem gewaltsamen Tod der schwangeren Patience sucht ihr verzweifelter Witwer Jack ergebnislos den Täter. 15 Jahre später ist er nur noch ein frustrierter, zynischer Typ. Als er im Jahr 2029 an eine Zeitmaschine gerät, reist er in Patiences Vergangenheit, um die Tat zu verhindern, und stösst auf die tragische Vorgeschichte seiner Frau, die wie so vieles zwischen den beiden unausgesprochen blieb. Dann verschlägt es ihn in seine eigene Kindheit, und mit den Reisen glaubt Jack immer mehr, die Zusammenhänge der Geschichte und des Daseins im Allgemeinen zu begreifen. Einerseits mag das zuweilen durchaus zutreffen, andererseits liegt Jack aber bis zum Schluss in den entscheidenden Punkten ziemlich daneben. Clowes zeichnet gewohnt farbig und poppig, der gesamte Comic wirkt wie eine Hommage an Superhelden-Comics der 70er- oder 80er-Jahre. Die emotionale Tiefe der komplexen und immer wieder etwas verwirrenden Zeitreise-Story haut einen indes um. Wenn sich der Schwindel nach einiger Zeit gelegt hat, gibt es genügend Gründe, eine Zeitschleife einzufädeln und das Album ein zweites Mal zu lesen. Verfilmung vorprogrammiert …
Zuerst erschienen in Strapazin Nr. 127, Juni 2017