Schönes Monster Pubertät:
„Pssst!“ von Annette Herzog & Katrine Clante

Viola – das erkennen wir Leser sofort – steckt mitten in der Pubertät. Viola selber ist das natürlich nicht so klar. Eigentlich ist für die Fünftklässlerin im Augenblick gar nichts so richtig klar. Ihre Eltern leben getrennt. Sie wohnt zur Hälfte bei der Mutter in der Stadt, zur anderen Hälfte bei ihrem Vater auf dem Land. Für die einen ist sie eine arrogante Städterin, für die anderen ein Landei. Und das geht auf allen Ebenen so weiter: Die Mitschüler halten sie für ängstlich, die Eltern für zu waghalsig, die einen finden sie zu still, die anderen zu laut. Und dann ändert sich auch noch ihr Körper. «Wer bin ich eigentlich?», fragt sich Viola, und wundert sich sogleich über die Frage, weil sie sich ja, genau genommen, am besten kennen müsste.

Schliesslich ist sie rund um die Uhr mit sich zusammen. Auch schwarze Gedanken verfolgen sie. Sie denkt an ihren verstorbenen Opa und an die einst rüstige Oma, die nun im Altersheim wohnt. Sie imaginiert sich in ihrem pubertären Wandel als Motte, die zu einem monströsen, hässlichen Schmetterling heranwächst. Sie hadert mit Cliquenbildungen in der Schule – will bei der Peergroup dabei sein, aber zugleich nicht so doof ausgrenzend sein wie sie. Und klar will sie berühmt sein, aber natürlich nicht doof berühmt, sondern gut berühmt …
Die in Dänemark lebende Autorin Annette Herzog erzählt in Pssst! sehr einfühlsam von einem Mädchen zwischen kindlichen Sehnsüchten und einer Ahnung vom nahenden Erwachsenwerden. Die vielen angesprochenen Themen und Szenarien dürften sowohl bei jugendlichen Leserinnen und Lesern als auch bei Eltern etliche Aha-Erlebnisse hervorrufen. Für die bildliche Umsetzung zeichnet die dänische Illustratorin Katrine Clante verantwortlich. Sie setzt den Blick in die Seele eines pubertierenden Mädchens als eine Mischung aus Comic, Collage, Texten, Zettelsammlungen und Listen um, die wirkt wie ein sehr kreatives Tagebuch, mit Serien wie Gregs Tagebuch oder Mein Lotta-Leben aber nichts gemeinsam hat. So berührend (und auch traurig) die vielen unterschiedlichen anekdotisch gehaltenen Geschichten sind, so vielseitig und schön sind sie visuell umgesetzt.
Zuerst erschienen in Strapazin Nr. 127, Juni 2017