„300“ von Zack Snyder

Anscheinend hat die halbe Welt auf die neue Verfilmung eines Frank Miller Comics gewartet. Ich auch, allerdings mit einer Mischung aus Freude, Interesse und Befürchtung. Denn zum einen ist Frank Millers Vorlage nun wirklich nicht eine seiner Meisterleistungen. 300 fehlt es an der over-the-top Hardboiled-Macho-Geste, die z.B. Sin City das Quentchen Ironie beschert, das Nötig ist, … 

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 um das Spiel mit den Stereotypen noch ertragen zu können. Es fehlt ebenso die Gebrochenheit oder der offensichtliche Wahnsinn der (vermeintlichen) Helden, die sowohl in „Sin City“ gezeigt sind als auch in der alternden Batman-Figur in Millers „Return of the Dark Knight“. Und es fehlt auch die grafische Zersplitterung und Auflösung in reine Form, die das plumpe Weltbild in „Sin City“ als abgehobenen Irrsinn entlarvt. „300“ ist gut gezeichnet, mit den üblichen perspektivischen Verzerrungen und Überhöhungen. Im Rahmen des antiken Stoffs erinnert das alles aber allzu sehr an bekannte Überhöhungen à la Leni Riefenstahl, die alles andere als ironisch gemeint waren.

Womit wir zum Problem der Verfilmung von Zack Snyder kommen: Das Problematische des Comics ist im Film noch problematischer! Die Helden sind noch Heldenhafter, die Ästhetik noch glatter. Und jetzt wirds fies: Die Perser noch monströser, entweder riesenhafte Transvestiten mit Piercings (schön, aber positiv gemeint?), oder Krüppel, monströse Ungeheuer in Menschengestalt und lüsterne Frauen. Die Spartaner sind kräftige Bodybuilder-Typen (sehen natürlich alles andere als sympathisch aus). Ein Kontrastprogramm. Natürlich wird der Krüppel, der schließlich die Spartaner verrät, von jenen als nutzlos abgewiesen, da er für die Gemeinschaft eine Gefahr ist: die Spartaner schützen sich in ihrer Formation gegenseitig – wer den Schild nicht hoch genug halten kann, der kann nicht der Gemeinschaft dienen, sondern schadet ihr. Alles zusammengenommen kommt man wirklich nicht an dem Etikett ‚faschistoid‘ vorbei – geht nicht. Heldensage, Märtyertod, Ornament der Masse, Ausgrenzung vom Anderen, Drill von Kindheit an, um Krieger zu stählen, überhöhende Perspektive, Siegestaumel, Rassismus, simplifiziernde Erzählweise, Spektakel!
Die Frage ist nur, was man damit macht: groß aufregen oder Schultern zucken. Hm… Es ist wohl auch fast egal, weil die Stumpfheit, mit der das durchgezogen wird, nur ermüdend ist. Da kann man nicht mal schlechten Gewissens ‚aber gut gemacht‘ faseln, denn der Film ist in seiner Digital-Retusche-Perfektion nach 15 Minuten ästhetisch nur noch öde. Was aber wirklich unangenehm an der Geschichte ist, ist die Tatsache, dass das Timing dieser rassistischen, anti-arabischen Propaganda nicht an Dummheit, sondern nur noch an Kalkül glauben lässt. Zack Snyder amüsiert sich über die Kritik und bestreitet natürlich jegliche Intention in diese Richtung.
(Bundesstart: 5.4.2007)

6 Antworten auf „„300“ von Zack Snyder“

  1. „Hot, sexy fascism“ schreibt jemand ironisch auf imdb im Kommentar.
    Überhaupt kriegt der Film inzwischen dort ordentlich sein Fett weg.
    Gut so!

  2. Die Grundidee des Comics (der übrigens lange vor 9/11 und Bushs Regierungszeit entstand) wie des Films ist es, eine Heldengeschichte zu erzählen, die sich Spartaner am Lagerfeuer erzählen. Quasi ein Film von Spartanern für Spartaner. Deshalb ist es nur logisch, dass die Feinde verzerrte Monster sind, der Verräter entstellt, Leonidas und seine Männer edel und schön, der Kampf für Freiheit und Ehre edelmütig und verehrungswürdig. Dies Sichtweise ist historisch so durchaus korrekt und hat mit Blut-und-Boden-Ideologie oder Faschismus nun rein gar nichts zu tun. Zudem bemühen sich Miller und Snyder, die spartanische Kultur auch mit all ihren Schattenseiten zu zeigen (Euthanasie, Verachtung der Feinde und Konkurrenten, Erbarmungslosigkeit, Brutalität) – dies alles wird völlig übersteigert dargestellt, damit man auch wirklich leicht erkennen kann, dass dies nicht positiv gemeint ist und dass die Macher, wie es Miller mal gesagt hat „nie mit einem dieser unheimlichen Typen Essen gehen würden“.
    Was man dem Stoff vorwerfen kann, ist natürlich, dass nicht alle Zuschauer/Leser auf Anhieb erkennen, wie die Umsetzung gemeint ist. Einige differenzieren nicht und denken, dass alles, was Leonidas sagt und tut und meint die Meinung der Macher wäre. Was natürlich nicht stimmt. Das wird einem aber spätestens klar, wenn man die Hintergründe kennt und Interviews mit den Machern gelesen hat. Zudem sind, gerade in Europa, Begriffe wie Ehre und Treue immer noch so stark mit dem Nationalsozialismus verknüpft, so dass alle Comics & Filme, die sich mit diesen Themen beschäftigen, als militaristisch oder faschistisch abgestempelt werden. Was für einen Amerikaner natürlich schwer zu verstehen ist. Für sie sind Ehre, Treue, Liebe und Freiheit positiv besetzt – und so sollte es ja eigentlich auch sein.

  3. @ Andreas: Ich denke absolut nicht, dass Miller oder Snyder Faschisten sind oder aus ideologischen Gründen faschistisches Gedankengut vermitteln wollten. Ich glaube eher – und das meinte ich mit „es ist wohl auch fast egal“ – dass sie garnichts wollten außer geile Gewaltbilder produzieren. Das macht Tarantino oft genug genauso, aber bei ihm gefällt es mir besser. Warum? Weil er nicht so werbewirksam kalkuliert auf alles scheißt und jede Provokation mitnimmt, inklusive der tagespolitischen.
    Ironie? Ironie braucht einen Standpunkt. Den hat Snyder aber nicht. Ich glaube, die Idee eines Antifaschistischen Films ist Snyder herzlich egal.
    Da gefällt mir ein Gewalttableau wie Kirkmans „The Walking Dead“, den ihr ja auch rausbringt, schon deutlich besser. Da gibt es einen Standpunkt.

    Nachtrag (und ganz wichtig!): Begriffe wie Ehre, Treue und Freiheit stehen ja immer in einem Kontext, werden mit Inhalt gefüllt, interpretiert und werden von den ‚Guten‘ wie den ‚Bösen‘ verwendet. Gerade und gerne auch von… hoppla, die schon wieder: Faschisten. Auch interessant, wie bestimmte Amerikaner z.B. mit dem Begriff Freiheit umgehen. Da sollte man also vorsichtig sein.

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