Über die epochale Betrachtung des Postpunk von 1978 bis 1984 in Simon Reynolds‘ New Wave-Bibel „Rip it up and start again“ hatte ich bereits berichtet. Nun stand die Lesung zum Buch an. Aber wie macht man so etwas …
– lesen über Musik? Klingt komisch, ist es aber natürlich nicht, denn schreiben und lesen über Musik geschieht ja permanent. Die Lektüre macht bei pophistorischen Themen aber doppelt Spaß, wenn man gleichzeitg vor dem Plattenregal stehen und die genamedropten Künstler auf dem Plattenteller rotieren lassen kann.
Naheliegenderweise macht der Musikjournalist Simon Reynolds genau das – natürlich ersatzweise mit Laptop – bei seiner Lesung zum Buch. Die Frage, ob man für jene liest, die das betreffende Buch bereits kennen, oder für zukünftige Leser, beantwortet er schnell: Irgendwie für beide! Sein Ritt durchs Thema brachte den Wissenden neben einer Erinnerung ein paar nette Bonusanekdoten, die Unwissenden erhielten einen Crashkurs mit Option auf Vertiefung durch Buchkauf. Unterbrochen wurde sein Abriss durch kurze, von der Übersetzerin Conny Lösch vorgelesene Abschnitte aus dem Buch, und eben Musikausschnitte. Reynolds erfüllte mir ungefragt nach 20 Jahren meinen Wunsch, mein (und offensichtlich auch sein) Lieblingsstück von Throbbing Gristle einmal auf einer großen Anlage in einer großen Halle zu hören. „Hamburger Lady“ von „D.O.A.“, dem „Third and final Report“ der Industrial-Pioniere, klingt auch inmitten einer Menge netter Menschen furchteinflößend. Dass Reynolds sämtliche Musikstücke per Knopfdruck unsanft beendete, war allerdings etwas grobschlächtig. Neben den Musiktiteln von Scritti Politti, The Fall, Orange Juice, New Order, P.I.L. u.a. zeigte er auch diverse Videos von Malaria, Josef K. oder Joy Division, die man wohl auch nicht alle bei youtube findet. Es war also ein kurzweiliger aber langer Abend – das Ganze ging zweieinhalb Stunden mit anschließender, allerdings etwas zäher Fragerunde. Das konnte auch Conny Lösch mit ihrem lustig antiquierten Jugendjargon nicht aufbrechen. Schade, denke ich mir danach, dass John Robbs Lesetour zu seinem „Punk Rock„-Buch bereits im September war – noch vor der Buchveröffentlichung. Ich werde nicht der einzige gewesen sein, der das verpasst hat.