Jeffrey Lewis habe ich erst mit einer letzten CD „12 Crass Songs“ kennen gelernt. Darauf covert er Stücke der britischen Anarcho-Polit-Punks Crass im Folk-Kleidchen … Es ist allerdings bereits das vierte Album des New Yorker Anti-Folk-Protagonisten, der u.a. mit Kimya Dawson (ex „The Moldy Peaches“) und seinem Bruder Jack Lewis zusammenarbeitet.
Das Konzert fing verspätet an, weil die Autofahrt von Hamburg nach Köln bereits in Bremen im Stau steckte. Ich bin ja froh, wenn ich nach stundenlanger Fahrt ein gutes Essen vorgesetzt kriege und mich danach im Bett lang strecken kann. Die Brüder mussten stattdessen das Auto parken, die Instrumente ins Blue Shell schleppen, den Soundcheck vor dem ungeduldig warteten Publikum absolvieren und schließlich natürlich noch das Konzert geben. Die Schattenseiten des Boheme-Lebens …
Die beiden linken jüdischen Slacker-Brüder (Jack mit „Stop the Occupation“–Schriftzug auf dem Bass) scheren sich allerdings nicht allzu sehr um den Sound – man zählt nicht umsonst zur Anti-Folk Szene, die Singer/Songwriter-Tradition mit Punk-Gestus füllt. Und die Laune ist ihnen auch nicht vergangen. So wird eine schnarrende Saite schmunzelnd kommentiert und schnarren gelassen, und auch sonst bleibt die Virtuosität zu hause. Was zählt sind der Charme, die Texte und die Nähe zum Publikum. Das alles gibt es beim Konzert zur Genüge, die schnell runter gesungenen Texte versteht man allerdings nur zur Hälfte. Etwas schade ist es, dass vom neuen Album fast nichts gespielt wird. Dafür gibt es aber einige Kracher, die dann selbst als Punk durchgehen können. Und außerdem gibt Jeffrey Lewis zweimal seine mit Singsang-Erzählung begleitete Comic-Show zum Besten: Lewis steigt auf einen Stuhl und blättert langsam ein abgegrabbeltes Din-A 3 Heft um, auf dem ganzseitige Zeichnungen blutrünstige, surreale Monter-Geschichten erzählen, die er Verbal ausschmückt und sein Bruder mit Sounds unterlegt. Jeffrey Lewis hat bereits sechs Ausgaben seiner selbst verlegten Comic-Serie „Fuff“ veröffentlicht. Die waren nach dem Konzert im nu ausverkauft, aber da ich die Konkurrenz mit gezielten Schlägen in die Magengrube ausknocken konnte, gibt es nächste Woche noch einen kleinen Artikel zu Lewis’ Arbeit als Comiczeichner, die ebenso begeistern kann wie sein musikalischer Output. Zusammengenommen: Ein großartiger, sympathischer Entertainer.