Tortoise and Bonnie ‚Prince’ Billy: The Brave and the Bold

Als vor ein paar Monaten bekannt wurde, dass sich der Indie-Folk Held Will Oldham (Palace Brothers; Bonnie ‚Prince’ Billy) und die Post-Rock Mitbegründer Tortoise für ein Album zusammentun, war die Aufregung im digitalen Blätterrauschen groß: Im Internet wurde in zahlreichen Foren gehofft und gefürchtet und diskutiert, was dieser Zusammenprall wohl hervorbringen würde. Will Oldham, der zuletzt mit Matt Sweeney für das überaus schöne Album ‚Superwolf’ zusammenarbeitete, trifft mit seiner sensiblen und brüchigen Stimme auf die opulenten Arrangements der Konzept-Rocker Tortoise – das könnte wahrlich zum fürchten schön sein. Freundschaft und Respekt sind bei dieser Laune sicherlich im Spiel.

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Und was machen sie nun? Natürlich etwas, das man nicht erwartet: ein Coveralbum mit unterschiedlichsten Stücke: von der New Wave Band Devo, dem frühen Hardcore der Minutemen, von Elton John, Bruce Springsteen und dem soften Countrybarden Dan Williams, von den Washington-DC Hardcore Bands Lungfish und Quix*o*tic, von der Folksängerin Melanie, dem Gitarristen Richard Thompson und vom Brasilianer Milton Nascimento. Wo bleibt da der rote Faden?

Kein roter Faden! Die 6 Musiker (ausdrücklich nicht 5 Musiker einer Band plus ein Gast!) schnappen sich Stücke, die toll sind und Stücke, die absolut nicht toll sind, populäres und obskures, und übersetzen sie in eine neue, ihre Sprache. Springsteen wird mit Artrock-Anleihen ganz zart, Elton John ganz ungehobelt und dreckig, aus dem melancholischen Hardcore von Lungfish wird ein wunderschöner Electrotrack, radiotauglicher Country wird zum allerschönsten Indie-Folk und auch die anderen Stücke atmen wahrscheinlich mehr musikalische Freiheit und emotionale Tiefe als die Vorlagen. Und über allem thront Will Oldhams fagiler, zerbrechlicher Gesang, der einem ständig das Herz erweicht.
(Overcoat/Domino, VÖ: 20.1.2006)