Es wird ihnen selber klar sein, dass man sofort Hamburger Schule ausruft, sobald NMFarner erklingen. Berlin-Schweizer Schule müsste es gemäß des Personals richtig heißen, denn für dieses Trio haben sich die Berliner Mascha Qrella (Mina, Contriva) und Norman Nietzsche (Mina) sowie der Züricher Chriegl alias Christian Farner (Schlagzeuger bei Knarf Rellöm und außerdem erfolgreich als Comiczeichner und Illustrator für Plattencover, Konzertplakate, Bücher und Anderes tätig) zusammengefunden. So ergibt sich auch der kryptische Bandname: M(ascha)N(orman)Farner!
Musikalisch denkt man direkt an etliche Bands vom Anfang der 90er Jahre der inzwischen geschlossenen Hamburger Schule: die frühen Blumfeld klingen deutlich an, an die Kolossale Jugend muss man ebenso denken, gesanglich vielleicht auch an Cpt. Kirk &, deren erstes Album „Stand rotes Madrid“, 1986 so etwas wie der Blueprint für die Hamburger Schule, genau wie „Das Gesicht“ mit einem deutsch-englischem Textgemisch überraschte. Die neue Platte ist trotzdem differenzierter als das NMFarner-Debüt „Die Stadt“ angelegt, das unerbittlich knallte. Auf „Das Gesicht“ gönnt man sich mehr Feinheiten, ohne an Rocker-Qualität einzubüßen. Da ist vor allem der ungestüme Bass, der häufig weit im Vordergrund die Stücke antreibt. Überhaupt scheinen die drei Spaß daran zu haben, die üblichen Verhältnisse, die Relationen auszuhebeln: mal wüten sie, dann senkt sich der Lautstärke- wie der Energiepegel ganz plötzlich, der Bass verschwindet wieder im Hintergrund, dafür kommt die Gitarre nach vorne. Ergebnis dieser wackeligen Verhältnisse ist eine manchmal unfertig wirkende, aber im besten Sinne unperfekte Rohheit, die auch nach mehrmaligem Hören Verwunderung zulässt. Und dann tauchen auch noch überall kleine Melodiehappen auf, die einen nicht in Ruhe lassen wollen – sogar Hitpotential können sie mit ihrem rauen Sound entfalten.
(Labels / EMI, VÖ: 17.2.2006)