Dirty Projectors & Bassekou Kouyate (Konzert, 19.11.2007, Stadtgarten, Köln)

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Der malische Vermittler von Tradition und Moderne Bassekou Kouyate und die Konzept-Avant-Rocker Dirty Projectors aus Brooklyn zusammen an einem Abend – die erstaunliche Konzertreihe „Reconstructing Song“ macht es abermals möglich.

Auf Bassekou Kouyate habe ich mich schon lange gefreut. Meine nur wenige Jahre junge Begeisterung für afrikanische Musik fand nach etlichen Compilations mit Musik aus den 50er bis 70er Jahren in ihm einen Musiker der Gegenwart, der mein Interesse weckte. „Sega Blue“ erschien etwa gleichzeitig mit Afel Bocoums tollem Album „Niger“, zuvor war ich bereits auf Konono No. 1 gestoßen. Letztere spielten bereits einen Monat zuvor am selben Ort mit ihrem rauen Sound ein tolles Konzert. Das war großartig andersartig. Knapp zwei Wochen später habe ich Afel Bocoums Konzert in Köln verpasst und hätte mir nachträglich in den Arsch treten können. Also habe ich mir zumindest vor Kouyates Konzert in den Arsch getreten. Erwartungshaltung: groß!
Die Vorband habe ich erst eine Woche vorm Konzert mit ihrem aktuellen Album „Rise Above“ (ist ja erst ihr viertes), erschienen am 2.11., kennengelernt und war sofort hin und weg von diesem kunstbeflissenen Irrsinn. Bandleader David Longstreth hat das ’81er Hardcore-Album „Damaged“ von Black Flag“ gecovert. Nicht 1:1, sondern sehr bewusst mit der Modifikation durch seine Erinnerung spielend. Denn das Album hat er zwar als Teenie oft gehört, seitdem aber nicht mehr. Dementsprechend werkungetreu ist seine subjektive, von der Gegenwart geprägte Auslegung, die ein wenig an Animal Collective erinnernd wild Stile mischt, von Funk über Folk zu Rock. Ein theatralisch überdrehtes Konzeptalbum von schier überwältigendem musikalischem Reichtum. Kein Wunder, hat Longstreth doch eine akademische Musikausbildung in Yale genossen. Der momentane Rest der Band ist offensichtlich auch dort rekrutiert: Als sie die Bühne betreten (Erwartungshaltung: groß!), murmelt hinter mir jemand vergnügt: „Sehen aus wie eine Schüler–Band“. Links und rechts von Longstreth, der dämlich blickend in einem Kleine-Jungs-Streifen-Nicky steckt (das kann man sich nur leisten, wenn man solch unglaubliche Musik komponiert), zwei kleine ‚Mädchen’ mit Bass bzw. Gitarre. Die Instrumente sehen im Vergleich recht groß aus. Als sie dann spielen vergeht einem Hören und Sehen. Die Duelle, die sich vor allem Longstreth und die Gitarristin liefern, sind technisch atemberaubend und musikalisch erfrischend unkonventionell, brüchig, komplex und raffiniert ineinander verwoben. Dazu gibt es Longstreths affektierten Gesang im Chor mit den nicht minder kunstvoll arrangierten Stimmen der Frauen. Die Stücke schwanken zwischen Schönklang und derben Eruptionen – ein energetisches Spiel, das Körper und Kopf gleichermaßen in Wallung versetzt.
Der Zusammenhang zu Bassekou Kouyate: Höchstens die komplex ineinander greifenden, hochtönenden Gitarren. Bei Kouyate sind es keine Gitarren, sondern N’Goni, sogenannte Bogenharfen. Sein schönes Album „Segu Blue“ hat er mit einem – dem ersten überhaupt – N’Goni-Quartett eingespielt. Das Quartett bildet beim Konzert den Mittelpunkt, dazu gesellen sich zwei Percussionisten und eine Sängerin – Kouyates Frau. Mit schnellen, von den vier Saiteninstrumenten filigran vorangetriebenen Songs begeistern sie ebenso schnell das Publikum wie zuvor die Dirty Projectors, obwohl die meisten – typisches Indie-Publikum – wohl derentwegen gekommen sind. Ich bin sicherlich einer der wenigen an dem Abend, die wegen beider Auftritte hier sind. Doch am Ende sind einige Indie-Hörer sicherlich bekehrt. Denn die sieben in Gewänder gekleideten Musiker sehen zwar aus wie eine folkloristische Truppe oder zu gut meinende Weltmusiker. Die Musik selbst sagt aber etwas anderes: Minimalistisch in der Grobstruktur und komplex in der Feinstruktur hat sie eine stets anregende und zugleich angenehm gleitende Wirkung. Kouyate lässt des Öfteren den Hendrix raushängen, was beim Anblick des traditionellen Instrumentes einen komischen Nebeneffekt hat. Zumal Kouyate tatsächlich von Blues und Rock beeinflusst ist. Aber das ist nur ein musikhistorisches Feedback, er kommt schließlich aus Afrika, der Wiege des Blues. Ähnlich verhält es sich mit dem wunderschönen Gesang seiner Frau, der die Melodielinien der Instrumente aufnimmt und manchmal zum stimmgewaltigen Soul anwächst, ohne in Klischees zu verfallen. Die Sprachbarriere ändert auch nichts daran, dass die Stimmung im Saal äußerst ausgelassen ist und die Band gerne noch einige Zugaben spielt. Nachdem der Star aus Mali im Westen inzwischen bekennende Fans wie Damon Albarn, Norman Cook (aka Fatboy Slim) oder Taj Mahal hat, dürften die kleinen sympathischen Clubgigs aber bald Geschichte sein.

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