Das Sublabel Shodoku des Verlags Schreiber & Leser erweitert seine anspruchsvolle Manga-Offensive mit einer durchgeknallten Horror-Reihe von Hideshi Hino und zwei weniger expressiven Werken von Yoji Fukuyama und dem Meister der leisen Töne, Jiro Taniguchi…
Die beiden Hino-Bände „Red Snake“ und „Bug Boy“ verbinden den Topos der japanischen Geistergeschichte mit einer großen Freude an blutigen Splattereinlagen und enthoben surrealistischen Sequenzen. Den sexualisierten Gewaltorgien à la Suehiro Maruo liegen immer übersteigerte kindliche Angstbilder zugrunde. In einer derartig krassen Ausprägung wird das Klischee durchgeknallter japanischer Extremkunst (file under Takashi Miike) vorzüglich bedient.
Ein anderes Japan-Klischee ist die weit verbreitete Vorliebe älterer Herren für Schulmädchen. Yoji Fukuyama widmet sich diesen Fantasien in seinem Band “Der Casanovakomplex“. Dort steigt ein Herr mittleren Alters am falschen Bahnsteig aus und landet in einer Kleinstadt, in der jeder mit jedem jederzeit und überall rumvögelt. Das findet der ältere Herr natürlich sehr reizvoll. Nach einiger Zeit wird’s allerdings sehr anstrengend, seine Idee von monogamer Liebe, beflügelt vom Anblick der jungen Yuma-Chan, funktioniert hier aber auch nicht. Die von ihm angebetete ‚besitzen’ geht nicht, denn alle anderen in der Stadt wollen und dürfen ja auch. Hinten anstellen, bitte! Fukuyama entwirft ein irres Szenario, das voller groteskem Humor steckt, aber zunehmend alptraumhafte Züge annimmt. Eine wild übersteuerte Erotikfantasie, die schließlich auch wieder in einer Splatterorgie endet und trotzdem viel Spaß bereitet.
Jiro Taniguchi wählt mit „Das Mädchen und die Stadt“ einen ruhigeren und ernsteren Ton: Nach dem Verschwinden der 15jährigen Megumi macht sich Shigeru, der beste Freund ihres verstorbenen Vaters, auf die Suche im Moloch Tokios. Der Naturbursche und Bergsteiger verliert sich schnell in der Hektik der Großstadt. Ebenso schnell stellt sich heraus, dass sich Megumi älteren Herren hingegeben hat. Taniguchi erzählt die Geschichte mit dem für ihn typischen feinen Strich, der zusammen mit der stark verwendeten Rasterfolie einen sehr akribischen, ruhigen Eindruck hinterlässt. Speedlines findet man bei ihm seltener. Viel Zeit nimmt er sich auch, um die Psychologie der Charaktere zu entfalten, die er stellenweise in erläuternden Rückblenden beleuchtet. Die emotionale Story gerät im Laufe der Entwicklungen zunehmend spannend und endet in einem dramatischen Finale. Neben dem Thema der Prostitution von Teenagern und der Pädophilie interessiert sich Taniguchi für die Hintergründe dieser fehlgeleiteten gesellschaftlichen Entwicklung. Das und seine absolut unvoyeuristische Erzählweise grenzt ihn von vielen Kollegen ab, die den Topos ebenfalls behandeln. Beim „Casanovakomplex“ von Yoji Fukuyama kann man sich zum Beispiel nicht immer so sicher sein, dass die Kritik an den Zuständen die Zustände nicht bloß wieder, wenn auch ironisch, reproduziert.
(alle: Shodoku bei Schreiber & Leser)
2 Antworten auf „Neue Manga von Hideshi Hino, Yoji Fukuyama und Jiro Taniguchi“
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