Nachdem die Mutter sie verlassen hat, ziehen Lars und sein Vater aufs Land in die Uckermark. Dort sind sie Fremde. Als Lars die taubstumme Marie kennen lernt, findet er Anschluss. …
Irgendwie scheint Constantin von Jascheroff auf Masken abonniert zu sein. Jedenfalls trägt er nach „Falscher Bekenner“ auch hier in einer Szene eine, aber dieses Mal drückt sie Leichtigkeit und Verspieltheit aus: Lars hat die taubstumme Marie kennen gelernt, und im Gegensatz zu der kommunikationsgestörten Erwachsenenwelt ist zwischen den Teenagern Verständigung möglich. In der verschneiten Einöde der Uckermark kommunizieren sie mit Mimik und Gestik, während die Erwachsenen nur sprachlos das Leben erdulden. Reyels findet einen guten Ton zwischen Dramatik und Humor und nutzt den atmosphärischen Hintergrund der weihnachtlich-verschneiten Uckermark symbolisch, ohne den Film damit zu überfrachten.
INTERVIEW MIT ANN-KRISTIN REYELS:
In all der eisigen Kälte, draußen wie drinnen – zwischen den Menschen – scheint die Kommunikation eingefroren. Und wenn sie mal stattfindet, wie am Weihnachtsfest, ist sie auch frostig. Dahinter scheint aber vor allem erdrückende Hilflosigkeit zu stecken …
Ja, vor allem die Erwachsen wissen nicht, wie sie sich Luft machen sollen. Es wird viel gestichelt. Alle wollen letztendlich nur geliebt werden, aber sie scheinen wie verflucht in einem Loop gefangen zu sein, aus dem sie zwar immer wieder auszubrechen versuchen, was aber anscheinend nicht so einfach ist. Es ist ein wenig so wie im Traum: Man will weglaufen, aber man wird von irgendeiner fremden Macht auf der Stelle festgehalten.
Trotz der Gefühlskälte und der beißenden Untertöne schimmert immer wieder Wärme zwischen den Figuren auf, was der Film mit Humor flankiert. Richtig ‚Böse’ gibt es hier nicht, oder?
In Jagdhunde gibt es eigentlich keine Figur, die „böse“ ist, alle wollen nur das Beste für sich und die anderen, und das wird ihnen zum Verhängnis, weil sie so wahnsinnig mit sich selbst beschäftigt sind. Die Erwachsenen schmeißen sich indirekt die Dinge an den Kopf, die sie sich nie trauen würden, ‚im Ernst’ anzusprechen. Der Humor ist da oft auch wie ein warmer blauer Mantel, in dem man sich sicher fühlt. Das Tragische daran ist nur, dass es permanent Verletzte gibt. Es ist wie ein Teufelskreis, und es ist genau dieser Teufelskreis, den Lars zu durchbrechen versucht mit seinem Handeln. Die Komik ist sicherlich auch wichtig, um das Ganze nicht zu trostlos erscheinen zu lassen.
Am meisten Kommunikation scheint zwischen den beiden jugendlichen Protagonisten stattzufinden, obwohl gerade die nicht wirklich miteinander reden, weil Marie ja taubstumm ist. Gelungene Kommunikation ist hier also keine Frage der richtigen Worte …
Genau, Marie und Lars machen das, was die Erwachsenen nicht tun, nämlich sich ansehen.
„Jagdhunde“ wartet mit einem klassischen offenen Ende auf. Welche künstlerische Entscheidung steckt hinter diesem Kunstgriff?
Für mich war es wichtig, dass es ein positives Ende gibt, und das hat der Film, egal für welches Ende man sich entscheidet, denn Lars bekommt genau das, was er will. Es kommt wieder etwas in Bewegung, was eingefroren war.
(Bundesstart: 18.10.2007)
Zuerst erschienen in choices 10/07