„Ausgetrickst“ von Alex Robinson

ausgetrickst.jpg 

Ein Comic, der die Bilder vergessen macht – ist das gut, oder schlecht? Alex Robinson, der sich bereits mit seinem großen Werk „Box Office Poison“ viele Freunde machte und Preise erhielt, legt mit „Ausgetrickst“ ein nicht minder faszinierendes Werk vor …

Robinson hat bei Will Eisner, dem ‚Erfinder’ der Graphic-Novel, studiert, und das merkt man seinen Geschichten an. Nicht nur, dass sie ausladend wie Romane sind – „Box Office Poison“ war über 600 Seiten dick, „Ausgetrickst“ kommt immerhin noch auf 350 Seiten. Sie sind auch perfekt komponiert. „Ausgetrickst“ erzählt die Geschichte von sechs Menschen, deren Wege sich schlussendlich kreuzen. Da ist der gefeierte Popstar in einer Schaffenskrise, die von einer Beziehungskatastrophe in die nächste stolpernde Kellnerin, der sich in einer Lebenslüge verstrickende Familienvater, der misanthropische Nerd und ein Teenager auf der Suche nach ihrem Vater. Schnell wird dem Leser klar, dass das alles auf ein großes Finale hinausläuft, und eine Weile fühlt man sich dem Autor etwas überlegen, weil man glaubt, den Ausgang erahnen zu können. Das stimmt allerdings höchstens zur Hälfte, und Robinson hat am Schluss noch einige Trümpfe im Ärmel. Was seine Geschichte aber, so raffiniert sie auch erzählt sein mag, herausragend macht – und da kommt Will Eisner wieder ins Spiel – ist seine Fähigkeit, seine Figuren lebendig werden zu lassen. Er fängt ihre Charaktere in wenigen Bildern und knappen Handlungsmomenten derart komplex ein, mittels Mimik, Gestik, Taten und Worten, dass sie einem sofort vertraut vorkommen. Und er gesteht ihnen eine Charakterentwicklung zu, die man uneingeschränkt nachvollziehen kann. Denn Robinson erschafft keine Helden und auch keine stereotypen Loser, sondern Menschen des Alltags im ständigen Wandel – zum Guten wie zum Schlechten. Hier kommt ein weiterer Einfluss Robinsons ins Spiel, denn sein Stil ist ebenso von Eisner wie von den Hernandez Bros. („Love & Rockets“) geprägt, von denen er nicht nur die Kunst der Alltagsbeobachtung geerbt hat, sondern wohl auch den schnellen Zeichenstil. Seine von starken Kontrasten geprägten Schwarzweißzeichnungen sind einzeln betrachtet sicher keine kleinen Meisterwerke des Details. Das müssen sie auch nicht sein: Sie stehen im Dienste einer schnellen, spannenden Geschichte über die Widerstände des Lebens, aber auch die Chancen und die Hoffnung. Insofern ist es völlig in Ordnung, dass die einzelnen Bilder nicht den Anspruch erheben, ein eigenständiges Kunstwerk zu sein. Bei Alex Robinson verschmilzt Bild, Text und Handlungsebene zu einem großen Ganzen. Und so sollte es im Comic doch sein.
(Edition 52)