Mário Lúcio (Konzert, 16.1.2008, Domforum, Köln)

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Damit dürfte ich die Grenze des Erträglichen in Sachen Weltmusikforschung überschritten haben: Ein Gratis-Konzert im Domforum der Katholischen Kirche …

vor einigen gleichaltrigen Musikliebhabern und vielen Rentnern, die wohl vor allem als Stammgast der Lokalität zugegen waren. Das Ganze um 17 Uhr am Nachmittag. Nach mitklatschenden Konzertbesuchern beim Orchestra Baobab ist das ein neuerlicher Tiefpunkt. Was muss man denn noch alles mitmachen? Ich sollte mich vielleicht mehr auf mein jüngst entzündetes Interesse für Black Metal konzentrieren – da passiert einem soetwas zumindest nicht. 

Aber zur Musik: Mário Lúcio ist ein Musiker von den Kap Verden, der nach seinem Weggang von der Band Simentera mit „Badyo“ am 25.1. bereits sein zweites Soloalbum vorlegt. Auf den Kap Verden wohnt seit dem 15. Jahrhundert ein ethnisch heterogenes Bevölkerungsgemisch. Das spiegelt sich auch in der Musik wieder, die sowohl afrikanisch als auch karibisch beziehungsweise südamerikanisch beeinflusst ist und außerdem Elemente portugiesischer Musik in sich aufgenommen hat. Mario Lucio setzt da noch eins drauf und spielt mit Polka- und Walzerlementen, ohne dass das als Grobschlächtigkeit auffallen würde. Trotz der rhythmischen Rafinesse und dem Schwung klingt die Musik immer leicht und sanft. Dazu trägt sicherlich auch Lucios zarter Gesang bei, der mich spontan an den späten Artho Lindsay – Mitte der 90er Jahre mit CDs wie „Invoke“ erinnert. Ein wenig muss man auch an die lateinamerikansichen Ausflüge von Robert Wyatt Anfang der 80er Jahre beziehungsweise auch wieder auf seinem jüngsten Album „Comicopera“ denken. Regelrecht furios ist neben einigen anderen schnellen Stücken „Dodu“, das durch verschiedene Parts jagt und live vom Percussionisten – Plastikeimer und ähnliche Fundstücke reichen völlig aus – um ein tippelndes Hausrat-Solo erweitert wird. Insgesamt kommt die Musik beim Konzert allerdings etwas schlaff, was sicherlich an der kleinen Trio-Besetzung liegt – vielleicht auch an den Rentnern, die den Raum mit dezenter Skepsis füllen. Und vielleicht an meiner komischen Stimmung, die in religiösen Kontexten immer etwas erschrickt …