Autechre (Konzert, 5.3.2008, Stadtgarten, Köln)

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Inzwischen schieben sie einen Mythos vor sich her, der dem des Aphex Twin sicherlich ebenbürtig ist: Autechre haben gerade ihr neuntes Album „Quaristice“ veröffentlicht und fahren wie immer staunenden Respekt dafür ein …

Das ‚D‘ für Dance in IDM (Intelligent Dance Music) wird stellenweise wieder größer geschrieben als bei den vorhergehenden Alben, trotzdem klingt ihre Musik aber natürlich immer noch so wie ein zerschossenes Bild aussieht.
Daher hält sich der Dance-Aspekt auch live immer noch in Grenzen. Als ich Autechre das letzte Mal im Studio 672, dem Keller des Kölner Stadtgartens sah, war es nicht nur proppenvoll, die Schlange vor der Tür reichte auch weit vor den Club. Das erstaunt angesichts einer solch experimentellen Musik, aber Ende der 90er hieß es, Autechre Alben verkaufen sich sechsstellig. Diese Mal fand das Ereignis im großen Saal des Stadtgartens statt, voll war es trotzdem. Es scheint immer noch ein Pflichttermin für advanced Techno-Hörer, musikinteressierte Programmierer und Multimediakünstler zu sein. Im Vorprogramm wieder SND, die ich Zuspätgekommener noch 45 Sekunden lang mitbekomme. Schade eigentlich – die 45 Sekunden klangen toll. Rob Hall legt zwischendurch auf, dann kommen Rob Brown uns Sean Booth auf die dunkle Bühne, die wie immer während des gesamten Konzerts dunkel bleibt. Der fette Sound der PA unterstützt die adäquate Rezeption ihrer Musik. Denn nur so kann man die sich überlagernden Schichten, deren unterschiedliche Strukturen permanent gegeneinander reiben, erst heraushören. Unwillkürlich muss ich an Free Jazz denken, auch wenn die Analogie hinkt. Denn natürlich gibt es trotzt Glitch, also der Integration von ‚Fehlern‘, viel festgelegte Struktur – zumindest mehr als beim Free Jazz. Aber das Hörerlebnis ist ein ähnliches. Man kann bei der Rezeption zwischen den unterschiedlichen Ebenen hin und her switchen, und hört dementsprechend mit anders gesetzten Akzenten andere Musik. Mitunter gibt es ambiente Stellen oder noisige Parts, dann rocken Autechre wieder wie verrückt. Nach einer knappen Stunde ist alles vorbei – eine Zugabe gibt es natürlich nicht. Der Mythos schleicht sich schlicht von der Bühne. Wie bei allen Mythen kann man sagen: Ein Teil der Aura liegt in ihm selbst begründet, den Rest dichtet man gerne hinzu, weil’s Spaß macht.              
(„Quaristice“ von Autechre ist bei Warp/Rough Trade erschienen)