Der Nachlass des Kölner Schriftstellers Rolf Dieter Brinkmann besteht u.a. aus vielen Stunden Tonband- und Filmmaterial. Der Filmemacher Harald Bergmann wagt auf dieser Basis eine Annäherung…
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INTERVIEW MIT HARALD BRINKMANN:
Es gibt Szenen, da ist man über das Angebot der Bebilderung beglückt, in anderen möchte man zwischendurch eher die Augen schließen (und kann das ja auch machen), um die eigenen Vorstellungen in Gang zu setzten …
Entspricht diese Rezeptionshaltung ihrer eigenen Empfindung?
Harald Bergmann: Wenn man im Kino mit poetischer Sprache umgeht, dreht es sich immer genau um diesen Konflikt: Die unmittelbare, sinnliche Erfahrung, die man vor Augen hat und die inneren Vorstellungen, die durch Worte wach gerufen werden. Genau an dieser Schwelle/Grenze arbeitete Brinkmann, wenn er als Dichter Experimente mit Tonbändern, Super 8 Filmen und Collagen macht, in denen er Bilder und Worte aufeinanderprallen lässt, um diese Vorgänge zu studieren und ihnen Ergebnisse abzulauschen. Das macht bis heute seine Aktualität als Mediendichter oder Medienpionier aus: Dass er den Einfluss, den die Medien bekommen haben, schon ganz früh gespürt und sich als Dichter damit auseinandergesetzt hat. Brinkmann haben die körperlichen, sinnlichen Wahrnehmungen sehr interessiert, und da es diese gibt Maschinen, Kameras und Tonbänder, um diese Wahrnehmungen direkt aufzuzeichnen, hat er sie in seine Arbeit mit den Worten einbezogen.
Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit den Zeitzeugen, allen voran Brinkmanns Ehefrau Maleen?
HB: Maleen Brinkmann hat mir drei Materialien aus Brinkmanns medialem Nachlass anvertraut: Die Filme, die Tonbänder und ausgewählte Arbeitsbücher, in denen Brinkmann mit Fotos und Texten Collagen hergestellt hat. Dazu Informationen über Kleider, Möbel, Gewohnheiten, Details, die wir brauchten, um seine Wohnung in der Engelbertstraße und sein Alltagsleben für den Film zu rekonstruieren. Ebenso haben uns die Freunde Brinkmanns, die ihm in den 70er Jahren nahe waren, sehr unterstützt.
Die Bebilderung der Hörszenen verstehe ich als Interpretationsvorschläge. Unter welchen Kriterien haben Sie die Sichtung gestartet, wie die Auswahl der verwendeten Stellen entschieden.
HB: Das war ein langsamer Filtervorgang, der nicht nur inhaltliche, sondern auch ganz praktische Parameter mit einbezog. Wir mussten z.B. den Originalton lokalisieren können. Die Vögel, das Entengeschnatter, Schritte im Gras und der Klang von Wasser sagten uns, dass dies der Aachener Weiher sein musste, in den Brinkmann mit seiner Familie zu gehen pflegte. Der Hall unter einer Stahlbrücke ließ auf die Eisenbahnbrücke an der Aachener Straße, der Verkehrslärm auf den Rudolfplatz vor seiner Haustür schließen. Brinkmann ist mit seinem Tonband durch die Stadt gelaufen und hat versucht, das was er sah und hörte, in Worte zu fassen. Wir hatten die Worte und Geräusche und mussten den Vorgang umdrehen, und die sinnliche Realität wieder neu erzeugen.
(Bundesstart: 11.1.07)
Zuerst erschienen in choices 01/07


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