„Control“ von Anton Corbijn

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Das ist jetzt auch schon wieder fast zwei Wochen her, dass ich der Deutschlandpremiere von Anton Corbijns Spielfilm über das Leben von Ian Curtis, dem Sänger von Joy Division, in Anwesenheit des Regisseurs beiwohnen durfte. Eigentlich wollte ich am selben Abend darüber schreiben … eigentlich …

 Corbijn hatte die Ehre, als Jungspund zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, und hat Ende ’79 ein paar Bandfotos gemacht und damit den Grundstein für seine Karriere als Fotograf und später Clipregisseur gelegt. Eine Freundschaft zu der Band – gibt der Regisseur nach der Vorführung des Films im Gespräch mit dem Publikum zu – hat es entgegen aller Gerüchte nie wirklich gegeben. Trotzdem scheint die Begegnung mit dem Sänger Ian Curtis prägend gewesen zu sein. So prägend, dass Corbijn nun, nach fast 30 Jahren, einen Spielfilm über ihn gedreht hat. Es ist überraschenderweise kein Dokumentarfilm, und es ist sogar auch kein Musikfilm, wie Corbijn betont. Tatsächlich steht das Leben des Sängers im Vordergrund des Films.

Als Glam Rock hörenden Teenager mit langen Haaren lernen wir ihn kennen, bis er die Sex Pistols live erlebt und sich alles ändert: die Haare kommen ab, eine Band wird gegründet und er wird Sänger. Doch den Zwiespalt zwischen Rock’n’Roll-Leben und Familienleben hält der jungverheiratete Vater einer Tochter nicht lange aus. Eine Affäre mit einem Groupie spannt die Lage zusätzlich an. Als er auch noch an Epilepsie erkrankt und die Anfälle sich häufen, ihn sogar auf der Bühne ereilen, sieht Curtis keinen Ausweg mehr. In der Nacht vor der ersten USA-Tour der Band erhängt er sich.

Anton Corbijn inszeniert den Film überraschend klassisch. Die Musik bleibt im Hintergrund, sie wird allerdings in den wenigen Konzertszenen tatsächlich von den Schauspielern gespielt, die teilweise extra für den Film Instrumente erlernt haben – die Wirkung ist intensiv. In den restlichen Szenen erkennt man deutlich den Fotografen, nicht zuletzt, weil Corbijn in Schwarzweiss gedreht hat. Jede Einstellung wirkt wie ein gut inszeniertes Foto, die Ausstattung ist recht stylish. Wenn Corbijn im Gespräch sagt, der Dreh war schwierig, weil er in Räumen ohne Wandschmuck filmen musste – Curtis hasste Bilder an den Wänden – dann mag man ihm das nicht recht abnehmen. Es kam ihm wohl eher sehr gelegen.        

„Control“ findet eine ganz gute Balance aus Realismus und Stilisierung, Verehrung und Erdung des Sänger-Idols. Und bei aller Konventionalität: Dass er das Pathos meidet, muss man ihm danken. In der letzten Einstellung dann doch ein wenig davon … aber ok.        In England ist der Film bereits sehr erfolgreich gestartet, in Deutschland ist der Bundesstart am 10.1.2008. 

   

2 Antworten auf „„Control“ von Anton Corbijn“

  1. Lieber Rezensent,
    im Abspann des Films ist als Drehbuchvorlage der Roman der Frau von Ian Curtis, Deborah Curtis, genannt. Es ist ihr beschränkter Blick, den Corbijn schülerhaft und gar nicht rock’n’rollig übernimmt, und darin liegt das Manko des Films, der im übrigen jedes Zeitkolorit im Styling vermisssen lässt. So bieder. harmlos, weich und sauber hat die Underground-Szene in England Ende der 70er nicht ausgesehen. Die einfallslose, starre Kameraführung scheint aus deutschen Filmen zu stammen, die Stationen ihrer Beziehung werden kalvarienartig in platten Dialogen nachgebetet, von Inszenierung keine Spur. Von den Gründen der elektrisierenden Energie und Härte, die die Musik von Joy Division noch heute ausstrahlt, wird rein gar nichts vermittelt. Statt dessen scheint die Musik ein erhabener und konsequenter Fremdkörper im eigenen Film zu sein. Corbijn hätte sich vielleicht die Muskk mal anhören sollen, statt Ian brav dabei zu filmen, wie er mühsam Texte aufs Papier kritzelt. Vielleicht wäre dann das mit ihm passiert, was uns in den 80ern wirklich passiert ist und weshalb Joy Division in uns niemals sterben wird. Corbijn fungiert als Alibi-Regisseur, gegen den als etablierten Fotografen niemand etwas einwenden kann, um die Mainstream-Verwertungskette Film-Buch-Musik noch mal so richtig in Gang zu bringen. Die Auszeichnung mit vielen Preisen auf Festivals zeigt nur, dass die Leute, die da in den Gremien sitzen, nie an de Basis gewesen sind. Für richtige Joy-Division-Fans muss der Film ein grausiges Sakrileg sein.

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