Sonic Destroyer!
Bevor das Interview beginnt, fällt im Raum der Name Alan McGee. Kennt der nach einigen Stunden Dumme-Journalisten-Fragen-Beantworten deutlich abgeschlaffte Tom Jenkinson aka Squarepusher nicht! Als ich erläutere, dass er das Label Creation gegründet hat, lautet sein desinteressierter Kommentar: „Kenn ich auch nicht, aber was für ein blöder Name. Hätte er besser Destroy genannt“.
Dabei macht sich Squarepusher nach wie vor häufig die doppelte Arbeit: erst kreieren, dann negieren, oder – etwas positiver ausgedrückt: erst zusammensetzten, dann wieder auseinandernehmen! Auf Squarepushers neuer Platte ‚Go plastic’ kommt diese Tugend wieder voll zum tragen, nachdem er zuvor mit Maximum Priest und Budakhan Mindphone fast schon seriöse Avantgardeziele verfolgt hat. Auf die Bemerkung, er würde sich im Moment wieder mehr seinem frühen Wahnwitz nähern, und überhaupt sei seine Entwicklung alles andere als die einer linearen Evolution, kontert er mit einem Modell dreier Tracktypen, die ständigen Verfeinerungen unterworfen werden: „Es gibt die ruhigeren Stücken ohne Beats (Leute, die das Ambient nennen, sollten ihm nicht zu nahe kommen…), die eher im Drum ‚n’ Bass-Kontext angesiedelten Stücken und die freieren, Fusion-Jazz inspirierten Sachen. Die drei Typen vermischen sich natürlich auch“. Denn alle drei Stränge bewegen sich auch gerne in Kreisen, entwickeln sich also nicht nach herkömmlichen Fortschritts-Schemata, und – das kann man sich leicht ausmalen – verheddern sich auch ineinander. Das führt zu D’n’B- Ambient (aua!), Fusion-D’n’B, Ambient-Fusion (noch mal aua!) und ähnlichem Unfug, der zu Hören dem Wagemutigen großen Spaß bereiten kann.
Neben dem wieder angehobenem Irrwitzfaktor scheint auch der Anteil ‚herkömmlicher’ Instrumente (Bass und Schlagzeug) wieder abgenommen zu haben.
Bei dem Thema entwickelt Herr Jenkinson allerdings einen ähnlichen Ekel, wie bei der Genreeinordnung seiner Tracks, aber da muss er jetzt trotz seines desolaten Zustands durch. „Die Unterscheidung von Computern und Instrumenten, äh, wenn ich von Instrumenten rede meine ich…(spielt den muckermäßig hochgeschnallten Luft-Bass), interessiert mich nicht“.
Ich stimme ihm schnell zu, um nicht vollkommen als Trottel dazustehen… Aber schließlich hat er dieses Fusion-Virtuositätsausstellungsspiel selber bereits mit den Bass-gniedel-daddel-Soli seines ersten Albums „Feed Me Weird Things“ losgetreten. „Hm, ja, stimmt“. Na also! Die Anteile herkömmlicher Instrumente sind jedoch gar nicht zurückgegangen, nur macht eine nachträgliche Klangbearbeitung auf der einen, und das Sampeln herkömmlicher Instrumente auf der anderen Seite eine Unterscheidung immer schwieriger und natürlich auch überflüssiger. Das Werk beantwortet die Fragen mal wieder wesentlich besser als der Autor. Und auch dessen Laune ist deutlich besser. Findet er eigentlich, dass seine Musik humorvoll ist? „Ja, schon…“.
Wirklich neu ist hingegen sein Versuch, 2Step ein wenig Charakter einzuhauchen. „Eines Tages kam ein Freund von mir, der viel 2Step hört, in mein Studio und er fand meine neuen Sachen mal wieder sehr strange. Da habe ich gesagt: ‚Ich mach Dir mal einen 2Step Track in meinem Stil’“ . Hat er gemacht, und als der Freund ihn gehört hat, hat er ihm anscheinend sogar gefallen, auch wenn er ihn etwas ungewöhnlich fand. Nur, es ist zu befürchten, dass der beim Tanzen zu „My Red Hot Car“ seinen Champagner verschütten wird.
Zuerst erschienen in De:Bug 11/03

