DISSONANZ UND REIBUNG
Mathias Schaffhäuser ist nach wie vor gut beschäftigt: er kümmert sich immer noch im Alleingang um sein Label Ware, das gerade unprätentiös mit einer simplen Maxi das 50. Release feierte. Daneben fand er aber auch Zeit, sein drittes Soloalbum zu veröffentlichen – zählt man die Maxi-Compilation auf Blaou („from 4 to 6 am), das Turismo-Album und das Remix-Album („Re:“) dazu – dann ist es bereits der sechste Longplayer. Und die sind dem Rock-sozialisierten Produzenten nach wie vor wichtig!
„Ich war als Kind und Jugendlicher absoluter Doppelalbum Fan. Das Klappcover habe ich für „Love & Business“ gemacht und habe es mir jetzt auch wieder gegönnt, weil die Grafik so toll war. Auf dem kleinen CD-Format wäre das sehr schade gewesen. Und ein Album ist für mich wirklich wichtig, weil da die ganze Bandbreite und Abwechslung dargestellt werden kann, die ich mag. Bei einer Maxi kann man bei 2-3 Stücken nicht von einem Bogen sprechen. Ein Album ist aber ein ganz eigener Entwurf, wo ich die Eigenart, die ich habe, darstellen kann“.
Die Eigenart von Schaffhäuser zeigt sich unter anderem in dezenten Verweisen auf die Musikgeschichte. Das gab’s schon in Bezug auf King Crimson oder die Beatles, auf dem neuen Album gibt es ein Zitat von Frank Zappa und eine Hommage an Steely Dan.
„Ich höre so was selber kaum noch, aber das ist einfach im Kopf und ich würde immer sagen, ich bin nach wie vor Fan und relativ gut informiert im Rock- und Popbereich. Aber die Selektion ist inzwischen größer – im Elektronikbereich finde ich mehr Sachen, die mich berühren“.
Eine andere Eigenart von Schaffhäuser ist neben einer von Dub-Reggae inspirierten bassigen Wärme die Vorliebe für geräuschige Elemente. Das neue Album zeichnet sich mit seiner Verschrobenheit daher vor allem durch die so entstandenen Dissonanzen und Reibungen aus.
„Nach all den ruhigen Minimal-Jahren muss mal klar gemacht werden, für was ich eben auch stehe. Denn ich habe eigentlich immer auch harte Tracks gemacht, mit Knarzigkeit und so. Aber das ist immer untergegangen, weil ich immer in dieses Kölner Minimal- und dann dieses Pophouse-Ding wegen „Hey Little Girl“ eingeordnet worden bin.“
Stattdessen hegt er immer noch ein großes Interesse für die nervöse „Linie King Crimson, Henry Cow, Art Bears, Massacre, Material“. Nur Art-Rockigen Perfektionismus darf man deshalb nicht von ihm erwarten.
„Ich selber war nie der Virtuose, und genauso bin ich heute nicht der Computer-Nerd, der alles ganz sauber produziert. Ich bin kein Studiofuchs. In erster Linie bin ich wohl faul, und habe deshalb nicht so viele Skills. Aber irgendwie ist es auch ein bewusstes Vermeiden von allzu viel Technik-Know-How. Ich habe mich immer mehr für das kreative, schnelle, spontane, improvisierte und zufällige interessiert.“
Zuerst erschienen in De:Bug 05/05

