„Montag kommen die Fenster“ von Ulrich Köhler (Interview)

Nach seinem Erstling „Bungalow“ erzählt Ulrich Köhler auch in seinem neuen Film wieder von Gefühlen der Entfremdung in der Mittelschicht. Nina verlässt sprachlos das Eigenheim und bleibt auch im Rest des Films sprachlos. Ohne ausgesprochenen Grund und ohne erkennbares Ziel flüchtet sie. Im Ferienhaus der Eltern trifft sie auf ihren Bruder, und flüchtet auch dort wieder. In einem klotzigen Großhotel schleicht sie somnanbulistisch durch die Gänge, trifft auf einen abgehalfterten Tennisstar (gespielt von der Tennislegende Ilie Năstase) und landet schließlich wieder bei ihrer Familie. Eine Lösung gibt es nicht. Ernüchternd und in ebenso nüchternen, wenn auch wohl gestalteten Bildern folgt Köhler seiner Protagonistin. Die innere Leere der Protagonistin überträgt er mit seiner Distanziertheit auf die Zuschauer.

Montag kommen die Fenster.jpg

INTERVIEW MIT ULRICH KÖHLER:
Es ist einige Zeit vergangen seit „Bungalow“. Warum dauerte es bis zum zweiten Kinofilm so lange? …

Daran bin ich vor allem selbst schuld. „Bungalow“ lief auf vielen Festivals rund um die Welt, und ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, an Orte wie Pusan in Korea oder Buenos Aires zu reisen. Irgendwann war ein Jahr vergangen, und mit meinem neuen Drehbuch war ich keinen Schritt weiter. Ich bin ein sehr langsamer Mensch, das merke ich auch gerade wieder: Nach einer ersten produktiven Phase, in der ich relativ schnell ein Treatment entwickele, kommt eine sehr lange und ermüdende Zeit, in der ich mich Satz für Satz zum fertigen Drehbuch quäle. Und das Fördersystem mit seinen langen und schwierigen Finanzierungsprozessen lässt auch nicht unbedingt spontanes Arbeiten zu.

Ähnlich wie in „Bungalow“ klinkt sich die Hauptfigur im neuen Film aus ihrem gesellschaftlichen Kontext aus. Ein Grund wird nicht genannt, ebenso wenig eine ‚Lösung’. Damit sind die Figuren sehr hermetisch angelegt.

Ich glaube an die Freiheit, Intelligenz und Phantasie des Zuschauers. Wenn du einem Menschen im „wirklichen“ Leben begegnest, dann kriegst du auch nicht in Rückblenden seine Biografie geliefert – und doch hast du schon in fünf Minuten eine ziemlich genaue Vorstellung von deinem Gegenüber. Das Gros des Fernsehens und Kinos wird von Menschen gemacht, die sich selbst für intelligenter und sensibler halten als den Rest der Welt. Dadurch entstehen diese unendlich langweiligen Filme, in denen die Komplexität der menschlichen Psyche auf die eines Einzellers reduziert wird. Die Welt erklären zu wollen ist größenwahnsinnig. Mit meinen Filmen versuche ich nur, ein paar Fragen aufzuwerfen, die auch andere Menschen interessieren könnten.

Für den neuen Film gilt noch mehr als für „Bungalow“, dass die Bildkomposition von erlesener Schönheit ist. Einerseits ist das ein großer visueller Genuss, andererseits scheint das mitunter eine große Distanz zu den Figuren aufzubauen …

Schöne Bilder sind kein Selbstzweck, und ich hoffe, dass dieser Eindruck bei unserem Film nicht entsteht. Wir entscheiden uns häufig gegen spektakuläre Drehorte und suchen eher banale Orte, die es zu Tausenden geben könnte in Deutschland. Dafür ist das Schlussbild ein gutes Beispiel. Es ist natürlich ein sehr gestalteter Film, das gebe ich zu.

In der längeren Passage im Hotel werden einige skurrile Figuren und Szenen aufgefahren, die ein wenig an Fellini denken lassen. Wie kommt da plötzlich der Surrealismus in den Film?

Die Hotelsequenz war immer als unwirkliche Sequenz angelegt. Nina, die Hauptfigur, hat kein Ziel, sie weiß nicht, wo sie hin will, sie weiß nur, wovor sie flieht. Insofern sollte sie an einen Ort kommen, der etwas Traumartiges hat, der außerhalb von Raum und Zeit zu liegen scheint und doch sehr deutsch ist. In dieser Passage haben wir uns auch ganz offensiv für eher spektakuläre Bilder entschieden.
(Bundesstart: 26.10.2006)

Zuerst erschienen in choices 03/07